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3D-gedruckte Medikamente in Kleinstchargen

Forschungsprojekt PolyPrint entwickelt neuen Drucker und neue Polymere

In einem Konsortium forschen die TH Köln, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) sowie die Firmen Merck und Gen-Plus an der Weiterentwicklung des pharmazeutischen 3D-Drucks, um hoch individualisierte Medikamente in kleinen Mengen herstellen zu können. Nach über einem Jahr stehen jetzt Polymere mit verbesserten Eigenschaften zur Verfügung, die im weiteren Verlauf getestet und optimiert werden. Auch ein erster Prototyp eines 3D-Druckers ist einsatzfähig.



„Sind Medikamente exakt auf das jeweilige Krankheitsbild der Patientinnen und Patienten zugeschnitten, erhöht dies die Wirksamkeit und verringert die Nebenwirkungen. Solche Arzneimittel werden aber nur in sehr kleinen Chargen von etwa 1 bis 100 Stück benötigt. Deshalb benötigen wir neuartige Herstellungsverfahren wie den 3D-Druck“, erklärt Tilmann Spitz vom Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik der TH Köln.

Am Ende wird ein holistisches System aus neuen Rohstoffen, geeigneten Druckern und individuellen Arzneimitteln stehen, welches alle Aspekte des pharmazeutischen 3D-Drucks abdeckt. „Bei Merck als Wissenschafts- und Technologieunternehmen sind Nachhaltigkeit und langfristiges Denken Kern unserer Unternehmenskultur, gleichzeitig steht der Mensch im Mittelpunkt unseres Handelns. In diesem Projekt wurde von Anfang an darauf geachtet, dass ganz individuelle Arzneimittel durch besonders umweltschonende Herstellverfahren entwickelt werden“, betont Dr. Markus Weigandt, bei Merck im Unternehmensbereich Healthcare Abteilungsleiter der Pharmazeutischen Entwicklung. Heute haben 60 % der verordneten Medikamente nicht den erwünschten therapeutischen Nutzen. Dies führt unter anderem zu erheblichen Nebenwirkungen, was wiederum zu einer starken Abnahme der Therapietreue von Patienten führt. Die Medikamente werden dann gar nicht mehr eingenommen mit dem Resultat, dass es zu einer weiteren Verschlechterung der Therapie kommt. Die Menge der produzierten Tabletten, die nicht eingenommen wird und in den Müll wandert liegt heute bei erschreckenden 50%. Dies belastet nicht nur die Kostenträger der Gesundheitsindustrie, sondern ist zugleich eine starke Belastung unserer Umwelt. Individualisierte Medikamente sind also nicht nur wirksamer, sondern auch umweltschonend“ ergänzt Dr. Dachtler, Geschäftsführer von der Gen Plus.


Um Fehler bei der Dosierung zu vermeiden und die sogenannte Therapietreue zu erhöhen, sollten Patientinnen und Patienten möglichst wenige Tabletten einnehmen müssen. Daher arbeitet das Team der TH Köln daran, einen 3D-Drucker zu entwickeln, der mehrere Wirkstoffe kombinieren kann. „Unser Demonstrator arbeitet mit zwei Druckköpfen, die unterschiedliche Wirkstoffe enthalten können und nacheinander oder im Wechsel eine Tablette drucken. Das System wird hochskalierbar sein, so dass in weiteren Ausbaustufen acht oder noch mehr Druckköpfe zusammenarbeiten können“, so Spitz. Nicht nur die Wirkstoffzusammensetzung wird dabei individualisiert. Über den geometrischen Aufbau der Tablette kann zudem bestimmt werden, in welcher Reihenfolge und mit welcher zeitlichen Verzögerung die Wirkstoffe im Körper freigesetzt werden.


Der neue 3D-Drucker soll darüber hinaus den Anforderungen der „Good Manufacturing Practice“ (GMP, Gute Herstellungspraxis) nach dem EU-GMP-Leitfaden für Anlagen in der pharmazeutischen Produktion entsprechen. Den dort formulierten Hygieneansprüchen will das Team dadurch gerecht werden, dass der Druckkopf einfach zu demontieren und zu reinigen ist. Zudem bestehen genaue Ansprüche bei der Herstellung von Medikamenten, da der Wirkstoff weder unter- noch überdosiert werden darf. Hier soll eine automatische Qualitätskontrolle während der Produktion greifen und die Produktion gegebenenfalls korrigieren.


Neue Polymere erleichtern Produktion


Auch bei den verwendeten Rohstoffen steht der Medikamentendruck vor besonderen Herausforderungen. Verdruckt wird eine Mischung aus pharmazeutischen Polymeren und medizinischen Wirkstoffen. Als Kunststoffstränge, „Filament“ genannt, werden diese in den Druckkopf eingeführt und dort geschmolzen. „Wir arbeiten zum Teil mit Filament, in dem sich nur 0,1 Prozent Wirkstoff befindet. Dieser muss innerhalb des Kunststoffs absolut gleich verteilt sein und der Druckprozess muss möglichst reibungslos verlaufen, damit sich in jeder Tablette die gleiche Menge Wirkstoff befindet“, sagt Dr. Julian Quodbach vom Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der HHU.


„Insbesondere die mechanischen Eigenschaften sind von großer Bedeutung. Die Kunststoffe dürfen nicht zu flexibel, aber auch nicht zu steif sein, um eine gleichmäßige Produktion und Qualität zu garantieren. Zudem sollen sie schon bei geringeren Temperaturen im Drucker schmelzen und nicht wie üblich bei 180 bis 220 Grad, um die Wirkstoffe zu schonen“, so Quodbach.


Auf Basis von Voruntersuchungen hat der Unternehmensbereich Life Science von Merck verschiedene neue Polymere entwickelt, welche verbesserte Eigenschaften für die Extrusion, Verdruckung und Stabilisierung von Arzneistoffen ermöglicht. Die neuen Polymere werden hinsichtlich ihrer Eignung für verschiedene Wirkstoffe und Wirkstoffanforderungen (z.B. niedrige Wasserlöslichkeit) und ihrer Unbedenklichkeit für die Anwendung am Menschen charakterisiert. Das Team der HHU wird für diese Polymere nun einen Prozess für die Herstellung der Filamente entwickeln und erste Tabletten drucken. „Gen-Plus als Spezialist für additive Fertigungsverfahren und Extrusionstechniken unterstützt das Team nicht nur mit seiner Expertise. Im 1.000 qm GMP Auftragslabor findet außerdem das Konzept des 3D-Drucks Anwendung“, ergänzt Dr. Dachtler, Geschäftsführer von Gen-Plus. Im konkreten Fall nimmt Gen-Plus Langzeituntersuchungen vor und testet die Stabilität der Filamente und der gedruckten Objekte. Dabei soll vor allem geprüft werden, ob sich der Wirkstoff im Laufe der Zeit abbaut oder sich Eigenschaften der Filamente hinsichtlich ihrer Verdruckbarkeit ändern.


Dr. Weigandt aus dem Unternehmensbereich Healthcare von Merck fasst zusammen: „PolyPrint kombiniert auf einzigartige Weise die Expertisen im Bereich der Pharmazie, Material- und Prozesswissenschaft. Als starkes interdisziplinäres Team haben wir hier die Möglichkeit, die personalisierte Medizin enorm weiterzuentwickeln und besser auf die Bedürfnisse unserer Patienten abzustimmen.“


Das Projekt „PolyPrint – Prozesssichere und reproduzierbare Herstellung pharmazeutischer Darreichungsformen nach dem FLM-Verfahren“ wird durchgeführt von der TH Köln, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), Merck und der Gen-Plus GmbH & Co. KG. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Vorhaben über das Förderprogramm ProMatLeben - Polymere für drei Jahre (FKZ: 13XP5064).


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